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Stolz deutscher Autobauer in Gefahr Für den Diesel sieht es düster aus

VW Passat auf der Detroit Auto Show: Bemerkenswerter Absturz der Diesel-Technik in der öffentlichen Wahrnehmung

VW Passat auf der Detroit Auto Show: Bemerkenswerter Absturz der Diesel-Technik in der öffentlichen Wahrnehmung

Foto: Friso Gentsch/ picture alliance / dpa

Angesichts des Volkswagen-Abgasskandals holt Frankreich schon mal die Keule gegen den Diesel raus. Bei dem Treibstoff handele es sich um "eine anerkanntermaßen krebserregende Substanz", giftete Umweltministerin Ségolène Royal zuletzt.

Und deshalb hat Paris jetzt beschlossen, die Diesel-Steuer in den kommenden Jahren jeweils um einen Cent zu erhöhen. Im Gegenzug soll die Abgabe auf Benzin sinken. So will die französische Regierung die Abgaben für die beiden Treibstoffe in den kommenden Jahren angleichen.

Der Vorstoß ist nur ein Indiz von vielen: Der Diesel erlebt in der öffentlichen Wahrnehmung gerade einen bemerkenswerten Absturz. Vor ein paar Wochen galten die Selbstzünder noch als große Umwelthoffnung, stoßen sie doch etwas weniger Kohlendioxid aus als Benziner.

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Foto: Volkswagen

Doch durch den Volkswagen-Abgasskandal stehen sie plötzlich als Dreckschleudern da. Der Wolfsburger Autohersteller  hatte zugegeben, Millionen Dieselmotoren manipuliert und auf diese Weise den hohen Stickoxid-Ausstoß verschleiert zu haben. Am Donnerstag kündigte VW an, in Europa 8,5 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten zurückzurufen. Und das alles hat nun Folgen, wie sich immer deutlicher zeigt - vor allem für die deutsche Autoindustrie, die seit Jahren auf Diesel setzt..

Die einzige Rettung für den Diesel ist teurere Abgastechnik

"Der Marktanteil von Diesel-Fahrzeugen in Europa wird in den kommenden Jahren sinken" schreiben die Unternehmensberater von Roland Berger in einer aktuellen Studie. Der Treibstoff erscheine angesichts des Abgasskandals "in einem neuen Licht".

Nicht nur, dass Staaten wie Frankreich den steuerlichen Rahmen ändern: Emissionstests sollen verschärft, Grenzwerte herabgesetzt werden. Das alles bedroht einen bedeutenden Zweig der Autoindustrie, die zuletzt immer stärker auf die sparsame Technik gesetzt hatte. Etwa 75.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland hingen vom Diesel ab, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Der einzige Weg, den Diesel in die Zukunft zu retten, ist bessere Technik. Doch die kostet Geld. So will Volkswagen-Markenchef Herbert Diess in Zukunft sämtliche Diesel-Autos mit der so genannten SCR-Abgasreinigung anstatt eines einfachen Speicher-Katalysators versehen.

Vergleich zwischen VW Golf und Toyota Auris zeigt, was auf dem Spiel steht

Der Aufpreis dürfte bei einigen Hundert Euro pro Fahrzeug liegen. Klingt nicht nach viel - doch damit wächst der Abstand zu billigeren Benzinern. Vielleicht noch schlimmer für deutsche Hersteller: Im Vergleich zu ebenfalls sparsamen Hybriden wie von Toyota  verschlechtert sich der Diesel ebenfalls.

Beispiel VW Golf: Derzeit schlägt der billigste Diesel mit einem Listenpreis von 21.875 Euro zu Buche. Der günstigste Toyota Auris kostet als Hybrid offiziell 22.900 Euro. Die Lücke könnte sich also erheblich verkleinern, wenn Volkswagen künftig teurere Abgas-Reinigungstechnik einsetzt.

Hinzu kommt, dass der Golf auf 100 Kilometern offiziell 3,8 bis 3,9 Liter Diesel verbraucht, der Auris 3,6 Liter Benzin. Wenn Staaten wie Frankreich den Diesel nicht mehr niedriger besteuern als Benzin, hat der Diesel-Golf zumindest auf dem Papier seinen ökonomischen Vorteil gegenüber dem Auris verloren.

Somit zeichnet sich ab, dass der Dieselmotor zumindest aus Klein- und Kompaktwagen zunehmend verschwinden dürfte, weil die Abgassysteme teuer sind. "Investitionen dieser Größenordnung lohnen sich nur für Wagen der Oberklasse, da der Dieselmotor in Kleinst- und Kleinwagen durch die neuen Auflagen nicht mehr wettbewerbsfähig ist", sagt Roland-Berger-Partner Thomas Schlick. Zudem lassen sich bei Dieselfahrzeugen der Mittel- und Oberklasse deutlich mehr CO2 Emissionen einsparen als bei kleinen Autos.

Auch französische Hersteller haben am Diesel-Debakel zu knabbern

Der Trend ist nicht neu. So hat Smart kein Dieselmodell mehr im Programm und Volkswagen hat den Up von vorne herein ohne Selbstzünder aufgelegt - wie auch Opel den Adam und den Karl. Die letzten mit Dieselmotor zugelassenen Kleinstwagen waren im August der Fiat 500 und der Fiat Panda.

Auf der anderen Seite hat sich der Diesel bei größeren, margenstarken Autos immer weiter durchgesetzt. Etwa 90 Prozent aller Passat haben in Deutschland einen Selbstzünder, ähnlich sieht es beispielsweise beim BMW5er aus.

Kein Wunder, dass die deutsche Regierung alles tut, um Schaden vom Diesel abzuwenden. Eine höhere Dieselsteuer? Komme mit ihr eher nicht infrage, stellte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Donnerstag klar. Zuvor hatte sie sich aufgeschlossen für einen solchen Schritt gezeigt.

In anderen europäischen Ländern ist die Dieselquote bei allen verkauften Autos sogar noch deutlich höher als in Deutschland (48 Prozent). So waren 2014 in Spanien 65 Prozent, in Frankreich 64 Prozent der Neuwagen Ölbrenner.

Französische Hersteller wie Renault oder Peugeot hätten ebenso an neuen Rahmenbedingungen zu knabbern. "Hersteller und Zulieferer werden umdenken müssen, wenn Dieselmotoren nicht von der Straße verschwinden sollen", sagt Roland-Berger-Mann Schlick.

Zumal ein komplettes Aus für die Technik teuer kommen könnte. Denn sie ist ein zentraler Baustein, um die CO2-Ziele bis 2021 zu erreichen. Sinkt der Absatz der Dieselautos um 20 Prozent, wären Strafen in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro denkbar, rechnet der Duisburger Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer vor. "Die VW-Betrügereien könnten damit alle Autobauer teuer zu stehen kommen."