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Too big to manage Zerschlagt die Finanzriesen!

Von Klaus Martini
Seit der Lehman-Pleite 2008 ist klar, dass Finanzkonglomerate ein Risiko für die Weltwirtschaft sind. Doch geschehen ist wenig. Niedrigzinsen befeuern die Risikobereitschaft der Großbanken sogar noch. Um den nächsten Crash zu verhindern, müssen die Regierungen einschreiten. Einen Lösungsansatz gibt es bereits.
Londoner Bankenviertel: Wir sollten zurückblicken und uns an den Glass-Steagall-Act von 1932 in den USA erinnern, der das Trennbankensystem einführte. Somit wurde vermieden, dass spekulative, verlustreiche Geschäfte im Investmentbanking auf das Einlagengeschäft der Geschäftsbank durchschlagen.

Londoner Bankenviertel: Wir sollten zurückblicken und uns an den Glass-Steagall-Act von 1932 in den USA erinnern, der das Trennbankensystem einführte. Somit wurde vermieden, dass spekulative, verlustreiche Geschäfte im Investmentbanking auf das Einlagengeschäft der Geschäftsbank durchschlagen.

Foto: Peter Macdiarmid/ Getty Images

Seit Beginn der Finanzkrise 2008 beschäftigt sich die Welt mit dem schönen Anglizismus "Too big to fail". Auf Deutsch gesagt: Unternehmen - und hier speziell Finanzkonzerne -, die so groß sind und deren Bedeutung für die Volkswirtschaft so ausgeprägt ist, dass ihre Pleite einen enormen wirtschaftlichen Schaden anrichten würde. Es besteht also ein sogenanntes systemisches Risiko: Im Falle einer Insolvenz ist das ganze große System gefährdet.

Damit stellt sich unweigerlich auch eine zweite Frage: Sind solche Unternehmen auch "Too big to manage"? Wenn wir uns die neuesten Entwicklungen bei einigen Großbanken oder im anderen Kontext, zum Beispiel bei Volkswagen , dem bisherigen Aushängeschild der deutschen Exportindustrie, anschauen, dann kann man schon ins Grübeln kommen.

Die Blaupause der Fehlentwicklung

Die Finanzkrise hat klar gezeigt, welch dramatische Entwicklungen sich ergeben können. Nachdem die Investmentbank Bear Stearns Ende Mai 2008 von der US-amerikanischen Großbank JP Morgan Chase mit Hilfe der Zentralbank aufgefangen wurde, ließ die US-Regierung nur vier Monate später Lehman Brothers in den Konkurs gehen. Dabei war wohl niemandem klar, welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden. Lehman Brothers war ein Big Player in Bezug auf Finanzderivate, der Ausfall eines Gliedes in dieser Wertschöpfungskette brachte das ganze extrem schuldenfinanzierte System ins Wanken.

Klaus Martini
Foto: Mathis Beutel

Klaus Martini leitete viele Jahre die europäischen Aktienfonds der DWS, war der oberste Vermögens-verwalter der Deutschen Bank und Vorstand der Bank Wilhelm Finck. Seit März 2015 ist er Mitglied der Geschäftsleitung bei Plückthun Asset Management.

Die Konsequenz: Zentralbanken und Regierungen mussten einschreiten, Liquidität wurde im großen Stil bereitgestellt und Unternehmen wie der Versicherungsgigant AIG finanziell aufgefangen. In Europa musste die öffentliche Hand insbesondere der Peripherie unter die Arme greifen, was dennoch den Schuldenschnitt Griechenlands 2012 nicht verhindern konnte.

Die Analyse enthüllt vielfältige Ursachen. Dabei sticht in erster Linie die mangelnde Regulierung heraus. Gerade Finanzunternehmen konnten ihre Bilanzen nahezu unendlich aufblähen und somit Risiken in die Bücher nehmen, die einzeln betrachtet vielleicht noch überschaubar waren, aber in ihrer Ballung enormen Sprengstoff boten. Nicht nur das Volumen der Finanzgeschäfte stieg sprunghaft an, diese wurden auch immer komplizierter. Eine Komplexität, die durch bestehende Risikosysteme nicht erfasst bzw. in ihren Auswirkungen völlig unterschätzt wurde.

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Foto: Daniel Naupold/ picture alliance / dpa

Seit Beginn der Krise sind nun Regierungen, Zentralbanken und Regulierer am Werk um sinnvolle Regel- und Kontrollsysteme aufzubauen.

Das hat aber bisher nur teilweise dazu geführt, dass Finanzunternehmen ihre Risiken heruntergefahren haben. Unternehmen, die an der Börse gehandelt werden, versuchen immer ihren Aktionären ansprechende Renditen zu erarbeiten - das wird den Banken zurzeit durch das niedrige Zinsniveau stark erschwert. Nur das Eingehen größerer Risiken und hochskalierter Geschäfte führt noch zu ernstzunehmenden Renditen.

Steigende Komplexität führt zu Überforderung

Sind diese Unternehmen also tatsächlich "Too big to manage"? Die Antwort, die sich zunehmend abzeichnet ist: Ja! Unsere Welt wird nicht nur immer schneller, sondern auch getrieben durch die zunehmende Digitalisierung. Umfang und Komplexität überfordern die Menschen immer öfter. Am Ende dieser Entwicklung steht die Gefahr, dass wir alle die Rechnung dieser Überforderung zahlen müssen.

Bekannt wurde in diesem Zusammenhang eine Aussage von HSBC-Chef Stuart Gulliver, der sagte, es sei völlig unmöglich, jeden seiner 257.000 Angestellten täglich zu überwachen. Allerdings ist es ein Leichtes, Managementfehler nur mit der Größe des Unternehmens abzutun. Erfolgreiche Unternehmen jeder Größenordnung brauchen eine Mischung aus geeigneter Unternehmensstruktur, der richtigen Technologie, gelebter und gesunder Unternehmenskultur sowie einer entsprechenden Kommunikation. Zudem sollte das Management ein nötiges Maß an Nähe zur Basis haben.

Neue Hoffnung aus der New-Deal-Ära

Was können wir also tun - insbesondere im Finanzbereich -, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen? Wir sollten zurückblicken und uns an den Glass-Steagall-Act von 1932/33 in den USA erinnern, der das Trennbankensystem einführte. Demnach durften Geschäftsbanken das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft betreiben, das Wertpapiergeschäft blieb den Investmentbankbanken vorbehalten. Somit wurde vermieden, dass spekulative, verlustreiche Geschäfte im Investmentbanking auf das Einlagengeschäft der Geschäftsbank durchschlagen.

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Kahlschlag in London: Europas Großbanken schrumpfen schneller als die Deutsche Bank

Foto: LAURENT FIEVET/ AFP

1999 wurde das Gesetz unter Präsident Bill Clinton abgeschafft, um der Globalisierung Rechnung zu tragen und die amerikanischen Großbanken wettbewerbsfähiger zu machen. Viele sehen darin heute die Ursache für die Fehlentwicklungen in der Finanzbranche. Mittlerweile ist die Wiedereinführung des Glass-Steagall-Acts eines der heißesten Themen im US-Wahlkampf für 2016. Auch die europäische Politik hat dies im Zuge der Finanzkrise erkannt und im Juni dieses Jahres ein entsprechendes Trennbankengesetz beschlossen.

Jedoch müssen sich EU-Parlament und EU-Staaten noch auf eine gemeinsame Position einigen. Es ist uns allen zu wünschen, dass Einigkeit erzielt wird, bevor eine neue Krise ausbricht.

Auch wenn staatliche Einflussnahme nur ein Teil der Lösung sein sollte, bin ich überzeugt, dass wir letztlich bei Banken um eine Aufspaltung oder Segmentierung nicht herumkommen werden. Dadurch könnte die Zahl der systemrelevanten Großbanken deutlich sinken und somit auch die Ansteckungsgefahr für die Volkswirtschaften. Kommen all diese Faktoren zusammen, besteht letztlich die Hoffnung, dass es in Zukunft weder Diskussionen um "Too big to fail", noch um "Too big to manage" geben wird.